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Unsere Basis
Am Bahnhof in Graz kaufen wir uns ein Pickerl, das auf Österreichs
Autobahnen Vorschrift ist. "Ich klebs nicht auf, das kriegst du nachher nicht
weg", meint Peter Strittmatter und klemmt den blauen Kleber unter den Scheibenrahmen.
Wir fahren sogleich los und erreichen über die langweilige und aussichtsarme Autostrasse
A9 den rund 8 km langen Gleinalm-Tunnel, der uns ins Tal von Knittelfeld führt. An einer
Mautstation wird uns eine Tunnelgebühr abkassiert. In St. Michael an der Mur ist
Ladehalt, Zeit für einen Kaffee. Zum Restaurant habe ich eine Abkürzung entdeckt, bin
aber trotzdem später angekommen.
Wir sind in der steirischen Kleinstadt Knittelfeld stationiert. Der Ort
mit 14'000 Einwohnern liegt rund 100 km Fahrstrecke nordwestlich von Graz, ist ein
wichtiger Eisenbahnknotenpunkt, wurde umkämpft im Zweiten Weltkrieg und nach der fast
vollständigen Zerstörung im Bombenhagel erst kürzlich wieder fertig aufgebaut. Dem Turm
der Stadtpfarrkirche sieht man es kaum an, dass er erst voriges Jahr die letzte
Kriegslücke im Stadtbild geschlossen hat.

Auf dem Parkplatz in Knittelfeld
Auf einem Kiesfeld beim Bahnhof steht ein riesiges rot-weisses
Zirkuszelt. Das österreichische Fernsehen ORF hat es für die Live-Sendung vom Samstag
installieren lassen. Daneben sind unsere Parkplätze abgesteckt, das Zelt mit den
Steckdosen und Stromzählern und die Kabine der Organisatoren. Das bewährte Team des
ÖAMTC (Österreichischer Automobil-, Motorrad- und Touring-Club) und des VEÖ (Verband
der Elektrizitätswerke Österreichs) sind wieder im Rennen. Unter der Leitung von Hannes
Kerschl haben die Helfer alles perfekt organisiert. "Wir machen alles, sogar Anlässe
der Formel-1" erklärt zackig der Chef der technischen Disziplinen. Ich glaubs ihm
aufs Wort und nehme von hübschen Helferinnen die Unterlagen entgegen, darunter ein
farbiges Roadbook für die Etappenfahrt vom Nachmittag.

Der Rennleiter auf einem Mini-Elektromotorrad
Die ersten Prüfungen
Zum Laden der Batterien bleibt uns nicht viel Zeit. Wir beziehen das
Hotel im Nachbardorf Zeltweg. Ich treffe Willibald Freiler, der in der Nähe von Wien
wohnt und sich vor ein paar Tagen ein TWIKE gekauft hat. "Ich habe die Zulassung noch
nicht und bin deshalb zu Fuss hier", sagt er. Ich offeriere ihm meinen Beifahrersitz.
"Das ist ja prima!" - Schon um drei Uhr starten wir von Knittelfeld über Kobenz
nach Seckau.

Zwischenhalt in Kobenz
Unterwegs werden wir von einem Lieferwagen des ORF-Fernsehteams mit der
Kamera verfolgt. Vor einem imposanten, gelben Gebäude wird ein Zwischenhalt
eingeschaltet. "Was ist das für ein riesen Haus?" frage ich. Während die einen
Fahrer mit den Schaulustigen reden, werfe ich einen Blick in die Einfahrt und gelange in
einen grosszügigen Innenhof mit Arkaden auf drei Seiten. Vor mir erhebt sich die Fassade
einer alten Kirche: die Benediktiner-Abtei Seckau. "Wir werden nicht sogleich
abfahren", sage ich mir und trete ins Halbdunkel der Klosterkirche. Bogen aus Stein,
Licht dringt durch die kleinen Fenster, die Ruhe wird durch die hallenden Schritte kaum
aufgeweckt. Ein schöner Ort.

Prof. Karl Reinprecht auf dem Vanderwaldi vor dem Kloster Seckau
Ein Mönch ist auf den Vorplatz gekommen und stellt sich neben das
exotische, elektrische Dreirad von Professor Karl Reinprecht und seinem Schüler Jörg
Nahold aus Graz. Der Fototermin dauert den Organisatoren etwas zu lange, weshalb sie zum
Aufbruch drängen. - Durch Wälder, entlang Wiesen und Bächen fahren wir das Tal hoch zum
Start der Sonderprüfungen. Dreimal müssen wir eine zwei Kilometer lange Rundstrecke
abfahren. Das erste Mal wird nur die Zeit gemessen, das zweite Mal müssen wir möglichst
dieselbe Fahrzeit erreichen, die wir beim ersten Lauf hatten, und das dritte Mal gehts um
die Schnelligkeit. Willibald muss am Start warten, da er keinen Sturzhelm mitgebracht hat.
Der ist hier Vorschrift.
Ich bin ganz stolz, die ersten beiden Runden auf 2,29 Sekunden genau
gleich schnell geschafft zu haben. Die Überraschung kommt sofort: nur Platz 5 in der
TWIKE-Wertung! Alle TWIKE waren auf der je rund 4 Minuten dauernden Fahrt innerhalb 2,5
Sekunden genau gleich schnell. Peter Strittmatter hat es sogar auf 0.2 Sekunden geschafft.
Wie macht er das? - Der absolute Rekord aller Fahrzeuge stammt von Adrian Baumann mit
einer Zeitdifferenz von 4 Hundertstelssekunden zwischen den beiden Läufen!

Adrian Baumann im Solec
Bei der Bergprüfung wird voll Schub gegeben. Christian Friemel
bearbeitet die Strecke mit 2:10,78 und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 55
km/h. "Das fährt in die Beine", meint er und reibt sich nachher die Muskeln.
Ich brauche nur 20 Sekunden länger und lande damit bereits auf dem letzten Platz aller
TWIKE. Keine Chance.
Wir fahren wieder los in den nächsten Ort. Weil diesmal keine
Zeitvorgaben existieren, dürfen wir uns im VW-Käfer-Museum Gaal verweilen (www.kaefer.gaal.at). Überall stehen
die runden Karossen herum, angefangen von Ferdinand Porsches ersten Versionen, über den
Amphibienwagen des Weltkriegs bis zum Herbie aus Disneys Studio und den New Beetle aus
aktueller Produktion. Ob geteilte Heckscheibe, Schiffsschraube, mechanische
Richtungsanzeiger, breite Kotflügel, amerikanische Stossstangen, die obligate Blumenvase
und das Cabrio: alle Details des in Millionen gebauten automobilen Krabbeltiers werden mit
Liebe präsentiert.
Auf dem Rückweg nach Knittelfeld haben wir noch die
Beschleunigungsprüfung zu bestehen. Aus dem Stand gehts über 300 Meter ins Ziel. Ich
beschleunige und trete wie verrückt. Aber wo ist das Ziel? Wohl schon vorbei. - Alle
TWIKE schaffen es in einer Zeit zwischen 22 und 24 Sekunden. Das kommt davon, wenn alle
Fahrzeuge gleich ausgerüstet und gleich schwer sind. Hier macht es was aus, wenn einer
kräftig in die Pedalen steigt! Christian landet auf den ersten Platz.
Die Zwischenrangliste der TWIKE-Wertung (weniger Punkte ist besser):
Fahrer |
Gleichmässigkeitsprüfung |
Bergprüfung |
Beschleunigungsprüfung |
1. Lauf |
2. Lauf |
Differenz |
Punkte |
Zeit |
km/h |
Punkte |
Zeit |
km/h |
Punkte |
Christian Friemel |
TW 164 |
04:10,08 |
04:10,97 |
00:00,89 |
3 |
02:10,78 |
55,056 |
1 |
00:22,08 |
48,913 |
1 |
Peter Strittmatter |
TW 099 |
04:03,04 |
04:03,24 |
00:00,20 |
1 |
02:12,11 |
54,501 |
2 |
00:22,87 |
47,223 |
3 |
Markus Speich |
TW 058 |
04:47,61 |
04:46,82 |
00:00,79 |
2 |
02:24,23 |
49,919 |
5 |
00:23,89 |
45,207 |
6 |
Paul Beeler |
TW 117 |
03:50,74 |
03:51,84 |
00:01,10 |
4 |
02:16,85 |
52,613 |
3 |
00:22,98 |
46,997 |
4 |
Heinz Mundwyler |
TW 056 |
03:49,95 |
03:52,40 |
00:02,45 |
6 |
02:18,08 |
52,142 |
4 |
00:22,81 |
47,348 |
2 |
Peter Zeller |
TW 003 |
04:04,18 |
04:02,03 |
00:02,15 |
5 |
02:29,29 |
48,230 |
6 |
00:23,25 |
46,452 |
5 |
Der Rekord bei der Bergprüfung beträgt 01:20,13 (Durchschnitt
89,848 km/h), erfahren von Rudolf Czernoch auf seinem Elektro-Motorrad. Er räumt
auch bei der Beschleunigungsprüfung mit 00:16,29 (Durchschnitt 66,298 km/h) ab.
Unter den E-Autos dominiert Helmut Schefers mit seinem Ligier Optimax. Sein mit
Brusa-Elektronik ausgerüstetes Fahrzeug erreicht eine Zeit von 01:35,39 den Berg hoch
(Durchschnitt 75,481 km/h) und 00:17,47 bei der Beschleunigungsprüfung (Durchschnitt
61,820 km/h). Erstaunlich ist, dass Frank Schwamb mit seinem Elektro-Liegerad bei der
Beschleunigungsprüfung mit 00:20,57 (Durchschnitt 52,504 km/h) besser ist als das
schnellste TWIKE! Wie macht er das bloss?

Frank Schwamb auf seinem E-Liegerad
Wir kehren zu unserem Standplatz in Knittelfeld zurück und überlegen,
ob wir für den Slalom vom Samstag Energie laden sollen. Die meisten entscheiden sich,
keinen Strom zu beziehen, da es noch für den Slalom reichen sollte. Die Schlankheitskur
kommt der Energiewertung zugut, die am Samstagmittag abgelesen wird. Heinz Mundwyler ist
der Einzige, der einsteckt und somit gleich auf Platz 6 landet.
Kulturelles
Nächster Fixpunkt ist die grosse Lokomotivhalle auf der anderen Seite
der Geleise. Der frisch gewählte Bürgermeister Siegfried Schafarik bringt das
Selbstbewusstsein von Knittelfeld zum Ausdruck, als er die steirische Landesausstellung 99
zum Thema "Verkehr" vorstellt (www.la99.at).
"Die Einwohner unserer Stadt stammen aus allen Landesgegenden, viele arbeiten bei der
Bahn." - Wir werden kreuz und quer durch die Halle geführt, vorbei an alten
Fahrrädern, Autos, Flugzeugen, Lokomotiven und Schiffen, gewagten künstlerischen
Skulpturen, einem Klingonen-Schwert und einem Beton-Porsche (13,7 Tonnen). Mensch und
Maschine begegnen sich in Raum, Zeit und Geschwindigkeit. - Das grosse Buffett lockt. Wir
schwatzen bis in die Nacht hinein.
Am Samstagmorgen ist im Kulturhaus Knittelfeld ein Workshop über
"Alternative Antriebssysteme im Strassenverkehr" angekündigt. "Das
interessiert mich nicht", hatte Edi am Abend schon gesagt und ist deshalb auch nicht
da. Ingenieure von Volkswagen und Ford berichten über Entwicklungen im Antriebsbereich.
Die grossen Autofirmen scheinen ziemlich ratlos, was die langfristigen Perspektiven
angeht. "In 50 Jahren werden wir Probleme mit der Versorgung mit fossilen
Brennstoffen haben". Vielleicht schon früher, warten wirs ab. Man werkelt an
Hybridantrieben herum und bastelt mit Brennstoffzellen mit Proton Exchange Membranen,
sogenannten PEM-Folien. Die Anforderungen an ein zukünftiges Fahrzeug sind etwa dieselben
wie heute, nur dass sie etwas sparsamer sein sollen, vielleicht 5 Liter Benzin auf 100 km.
Alle wollen Innovation, jeder beginnt zu forschen, aber keiner will der Erste sein.

David und Goliath: TWIKE und Grosslastwagen
Die Elektrowirtschaft vertritt die Anwenderseite. In Österreich wurden
bei den E-Werken mit 58 Elektroautos rund 1 Mio. Kilometer Erfahrungen gesammelt.
"Der Trend bei den neueren Fahrzeugen geht zu Nickel-Cadmium-Batterien",
berichtet der Referent. Die bewähren sich im Einsatz. Insgesamt rollen rund 600
Elektromobile auf Österreichs Strassen. Da muss man ja Glück haben, bis man eins
entdeckt, denke ich.
Welche Auswirkungen ein verbreiteter Einsatz von Elektrofahrzeugen auf
die Stromversorgung hat, war das Thema des letzten Referates. Es wurde davon ausgegangen,
dass man pro Tag rund 20 Kilometer fährt, etwa 20 kWh auf 100 Kilometer verbraucht (das
ist rund 3 mal mehr als beim TWIKE), und die dazu nötigen 5 kWh in etwa 2 Stunden laden
kann, was etwa der Anschlussleistung eines Bügeleisens entspricht. Der Referent rechnet
vor, dass die Versorgung auch dann noch möglich ist, wenn jeder vierte Autofahrer in
Österreich ein Elektromobil fährt.
In der Halle unten ist schon wieder ein grosses Buffett mit allerlei
Köstlichkeiten aufgebaut. Wir können uns mit den Augen kaum daran erfreuen, weil der
Workshop etwas länger dauerte als geplant. Da müssen wir schneller essen als gewünscht,
denn die Organisatoren sind pünktlich.
Die übrigen Prüfungen
In der Nähe ist der erste Lauf des Slaloms ausgesteckt. Ein paar
hundert Meter hin und her zwischen Kunststoffkegeln, ohne zu berühren, denn sonst gibts
Strafpunkte. Ich versuche, auf dem Kehrplatz mit einer Vollbremsung eine Kavaliersdrehung
zu machen, bleibe aber auf halbem Weg stehen. Rückwärtsgang rein, Vorwärtsgang rein,
wertvolle Sekunden verrinnen. Ich brauche eine Minute und werde letzter. Maschpi ist 12
Sekunden schneller und gewinnt.

Christian auf der Slalomstrecke
Die Motorräder können sich elegant in die Kurven schwingen und sind
fast doppelt so schnell wie ich, während der breite Elektro-Lamborghini langsam durch
jedes Tor schleicht. Die Zuschauer - angefeuert durch den Speaker - sind trotzdem
begeistert. Man kennt uns aus dem Fernsehen.
Ich nehme die Resultate des zweiten Laufs vom Sonntagmorgen vorweg:
Maschpi gewinnt auch diesmal, und kann sich damit um zwei Ränge auf den dritten
Gesamtrang in der TWIKE-Wertung vorarbeiten. Die definitive Rangliste:
Fahrer |
Energiewertung |
Slalom 1. Lauf |
Slalom 2. Lauf |
Total |
kWh |
Punkte |
Zeit |
Strafzeit |
Punkte |
Zeit |
Strafzeit |
Punkte |
Punkte |
Rang |
Preisgeld |
Christian Friemel |
TW 164 |
0.00 |
1 |
00:52,40 |
00:00 |
3 |
00:44,69 |
00:00 |
2 |
11 |
1 |
25'000 S. |
Peter Strittmatter |
TW 099 |
0.00 |
1 |
00:56,92 |
00:00 |
4 |
00:45,81 |
00:00 |
4 |
15 |
2 |
15'000 S. |
Markus Speich |
TW 058 |
0.00 |
1 |
00:48,68 |
00:00 |
1 |
00:42,83 |
00:00 |
1 |
16 |
3 |
10'000 S. |
Paul Beeler |
TW 117 |
0.00 |
1 |
00:51,71 |
00:00 |
2 |
00:44,89 |
00:00 |
3 |
17 |
4 |
5'000 S. |
Heinz Mundwyler |
TW 056 |
0.60 |
6 |
00:54,49 |
00:05 |
5 |
00:46,03 |
00:00 |
5 |
28 |
5 |
3'000 S. |
Peter Zeller |
TW 003 |
0.00 |
1 |
01:00,08 |
00:00 |
6 |
00:52,34 |
00:00 |
6 |
29 |
6 |
2'000 S. |
Ich bin zwar letzter geworden, aber das liegt daran, dass die anderen
eben besser sind. Na ja, vielleicht klappts beim nächsten Mal. - Überrascht bin ich von
der Höhe der Preisgelder, da ich das Reglement in dieser Beziehung nicht so genau
studiert habe. Christian gewinnt - als jüngster TWIKE-Fahrer und das erste Mal dabei -
gleich rund 3'000 Franken. Peter Strittmatter - der Sieger vor zwei Jahren - erreicht den
zweiten und Maschpi trotz seines eher schweren Fahrzeugs den dritten Rang. Paul Beeler
landet auf dem vierten und Heinz Mundwyler auf dem fünften Platz. Herzliche Gratulation
an alle Teilnehmer! - Wer jetzt denkt, er oder sie hätte auch kommen wollen, um sich ein
Preisgeld abzuschneiden: Gut üben, an die nächste Austro Solar kommen, das Reglement
studieren und Glück haben.
Im Fernsehen
Nun, nach dem ersten Slalomlauf am Samstag kommen die Fahrzeuge wieder
an die Boxen. Die edlen Damen des ÖAMTC verteilen Abendkarten für das Zirkuszelt. Dort
gastieren keine Raubtiere, nein, sondern Harry Prünster und Adriana Zartl vom ORF, welche
die Sendung "Oh, du mein Österreich" direkt aus Knittelfeld auf den heimischen
Bildschirm zaubern. "Soll ich etwa da reingehen und mir etwas ansehen, was ich zu
Hause am Fernseher gleich wegzappen würde?" beantwortet Edi meine Frage, ob er auch
kommen wolle, um ein Stück Österreich-Kultur zu erleben.

TWIKE-Piloten in weissen Windjacken (v.l.n.r.):
Maschpi, Peter Strittmatter, Christian Friemel und Paul Beeler
Bodenständige Musikanten, regionale Originale, Al Bano aus Italien,
Schüler aus Knittelfeld und die halbe Stadt als Zuschauer füllen das Zelt. Der einzige
Elefant ist ein Kran mit Kamera, der seinen Rüssel durchs halbe Zelt ausstreckt. Oben im
Trapez verstecken sich statt Artisten zwei Beleuchter zwischen den Scheinwerfern. Als
Clown-Duo erscheinen mir die zwei Männer mit der gefederten Steady-Cam, welche Showmaster
und Musiker hautnah verfolgen und den Fernsehzuschauern das leichte Gefühl vermitteln, da
schwebe eine Fee mit Kamera im Zelt herum.
Ab und zu habe ich das Gefühl, nicht alles verstanden zu haben. In
Österreich gibts ganz urchige Dialekte, welche meine schweizerischen Ohren zu
Fragezeichen machen. "Wie bitte, was hat der jetzt gesagt?" Die Musik
beantwortet sich selbst, das Publikum tobt, am lautesten natürlich die Schüler, die
schon vor dem Zelt die TWIKE-Fahrer für Probefahrten angegangen waren.
Als die Klappe fällt, beschliessen wir, nach Zeltweg zum Dorffest zu
fahren. Mit drei TWIKE kurven wir hin, den Baustellen ausweichend und parken auf einem
einzigen Parkfeld. Es ist ein wenig grösser als hierzulande, so dass sogar noch ein
viertes TWIKE vorne quer Platz gefunden hätte. Von weitem hört man schon die Musik. Im
Schlosspark sind Bänke und eine Tanzbühne aufgebaut. Viele Leute tanzen und die
Lautsprecher blasen einem die Ohren nach hinten. Die Hitparade rauf und runter, Pommes
rein und Sprüche raus. "Das gefällt uns", finden Paul und Christian. Auch
Peter Strittmatter erobert die Tanzfläche, während ich mir in akustisch erträglicher
Distanz einen Almdudler genehmige.
Pokale
Am Sonntagmorgen, nach einem Besuch der Kapuzinerkirche, gehe ich zum
zweiten Slalomlauf am selben Ort, von dem ich ja schon berichtete. Der Grund, warum ich
diesmal die längste Fahrzeit habe, ist mein Beifahrer, ein Kameramann vom TV-Kanal
Steiermark 1. Da kann ich natürlich nicht so stark in die Kurven gehen, sonst wird es ihm
und den Fernsehzuschauern übel. Wir machen anschliessend noch einige Fahraufnahmen von
hinten und vorn, damit sie im Studio etwas zum Zusammenschneiden haben.
Viele Leute wollen probefahren, bis die Batterien leer sind. Während
dem Warten auf das Mittagessen - es dauert eine ganze Weile - geht die Preisverleihung
über die Bühne. Die Sieger der einzelnen Kategorien sind:
 | Fahrzeuge bis 1'000 kg: Helmut Schefers auf Ligier Optimax |
 | Fahrzeuge über 1'000 kg: Günther Musil auf Peugeot 106 |
 | TWIKE-Wertung: Christian Friemel, natürlich auf einem TWIKE |
 | E-Fahrräder bis 50 kg: Johann Oberndorfer auf einem Kasbauer-Rad |
 | E-Zweiräder von 50-100 kg: Karl Schmidel auf einem Sator-Kasbauer |
 | E-Zweiräder über 100 kg: Rudolf Czernoch auf einer Caviga Mito |

Die Sieger in der TWIKE-Wertung: Maschpi (3.), Christian Friemel (1.) und
Peter Strittmatter (2.)
Als die zahlreichen Pokale verteilt sind, gehts schon ans
Abschiednehmen, da die meisten eine weite Heimreise vor sich haben. Ein grosser Dank an
die Organisatoren, besonders an Hannes Kerschl und seine Helferinnen und Helfer, an die
Sponsoren ÖAMTC, VEÖ und die Steirischen Kraftwerke STEWEAG.
Heimreise
"Wir wollen nicht wieder durch den doofen Tunnel", motzen
einige. Edi Stolz entgegnet, beim Gaberl-Pass hätte es vorne und hinten keinen Strom und
schliesslich gehe es über tausend Meter rauf. "Ich habe keine Lust, die Leute
abzuschleppen", fügt er hinzu. Heinrich Holinger kümmert das nicht, sein Mini hat
sowieso genug Reichweite. Hans und Adrian Baumann überlegen sich, dass sie ihre beiden
Solec ein Stück mit dem Begleitwagen den Berg hochziehen könnten. Und Peter Strittmatter
und Markus Speich kalkulieren, dass es eigentlich gehen müsste. "Das TWIKE braucht
eine halbe Ampèrestunde auf 100 Höhenmeter". Schliesslich haben sie sich vor dem
Rennen noch mit neuen Sanyo-Batterien eingedeckt, so dass es problemlos zu schaffen sei.
Bei mir wird es wohl knapp werden, denke ich. Aber die tolle Aussicht auf die bewaldeten
Berge der Stubalpe lockt doch so sehr, dass ich meine Bedenken in den Wind schlage.
Edi lässt sich erweichen, montiert aber aus Vorsicht ein Abschleppseil
an meinem Fahrzeug, da ich nicht gerade hinschaue. Wir werden sehen. - Wir fahren los,
zuerst auf der Ebene, nachher verliere ich die anderen aus den Augen und fahre ein Dorf zu
weit. Mit Umwegen werde ich nicht besser auf dem Pass ankommen, ärgere ich mich und
studiere die Karte. Rechtsumkehrt und schon treffe ich die anderen wieder. Nun beginnt die
Steigung, streckenweise gehts über 12% hinauf. Die Ausblicke auf die Alpwiesen und die
Nachbartäler sind fantastisch und ich schätze das gemütliche Tempo. Die
entgegenkommenden Autofahrer sperren die Augen auf und winken, als wir in unseren weissen
Mäusen den Berg hochklettern.

Aufstieg zum Gaberl-Pass
Mich schmerzt der Sonnenbrand auf der Nase. Der Schutzfaktor 20 nützt
nichts, solange die Crème in der Tube bleibt. Und nachher ists eben zu spät. - Ich
schaffe es gerade noch, die Passhöhe zu erreichen. Na ja, es hätte vielleicht noch für
ein paar Kilometer mehr gereicht. Die Rechnung von Peter Strittmatter stimmt genau; er hat
es mit seinem Höhenmesser nachkontrolliert.
Oben auf dem Pass gibts ein Hotel, wo die übrigen Fahrzeuge bereits
warten. Der Wirt fädelt Kabel aus den Fenstern und ist begeistert. Der Standort wird
sofort ins Verzeichnis der Stromtankstellen
aufgenommen. Im Wintergarten wachsen eine Menge Kakteen. "Darf ich einen Blattkaktus
abbrechen?" fragt Käthi Baumann den Wirt. "Die wachsen nur, wenn sie gestohlen
werden", scherzt er. Heinz Mundwyler bestellt gleich noch zwei Apfelstrudel dazu, zum
Einpacken und mitnehmen. "Ich esse mein Eis lieber gleich auf", sage ich.
Auf der anderen Seite gehts steil runter. Es ist eine kurvenreiche Fahrt
bis nach Graz, wo wir am Abend eintreffen. Peter Strittmatter: "Ich habe oben nicht
geladen und möchte sehen, ob ich noch über 100 Kilometer komme". Und er saust los
auf eine Zusatzrunde durch die Stadt. Schliesslich werden es 102 Kilometer. - Im
geräumigen Bahnhof-Restaurant setzen wir uns zusammen, essen etwas und diskutieren. Hans
Baumann erklärt, wie er seine Blei-Gel-Batterien regeneriert. "Ich kann sie fünf
mal regenerieren, so dass sie 2'000 Zyklen halten. Die Sulfatierung mache ich mit meiner
Methode weitgehend rückgängig."
Die Bahnarbeiter kommen auf den Platz so dass wir wieder verladen
können. Im Zug öffnet Christian zwei Flaschen Champagner, um mit allen auf die
gewonnenen Preise anzustossen. Jeder Teilnehmer hat schliesslich etwas bekommen.
Wir fahren durch den Arlberg und erreichen am Morgen Feldkirch. Es
regnet in Strömen. Die einen fahren über Wildhaus zurück, die andern nehmen die Strecke
entlang dem Walensee. Die Wolken verziehen sich und kehren erst wieder, als ich in Zürich
einfahre. Es kommt mir vor, ich sei eine Woche fort gewesen.

Bahnübergang bei Schänis SG
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