Mit Strom und Muskelkraft von Kassel nach FlorenzVon Kassel in Nordhessen nach dem italienischen Florenz und wieder zurück
nach Rosenthal (Hessen) führte diese TWIKE Frühlings-Tour. Der Fahrer Burkhard Schade
und Co-Pilotin Heidi Amende überbrachten offizielle Frühjahrsgrüsse zwischen den beiden
Partnerstädten. Sie haben sich für die Reise von Martin Möscheid vom TWIKE Zentrum
Rosenthal das TWIKE 042 ausgeliehen. - Hier ist ihr Reisetagebuch.
Donnerstag, 25. März 1999
Es ist 14.15 Uhr als wir auf dem Florentiner Platz eintreffen. Einige
Interessierte haben sich schon eingefunden, um uns und das TWIKE zu verabschieden. In
Kassel zeigt sich der Frühling von seiner besten Seite. Die Sonne scheint, und es ist
angenehm warm. Um 14.32 Uhr fahren wir "fast" planmässig ab. Unsere erste
Ladestation ist Beiseförth an der Fulda, etwa 42 km von Kassel entfernt. Wir brauchen
also nicht so sehr mit der Energie zu haushalten. Der Fahrstil ist entsprechend
couragiert, so dass die Akkus etwas überhitzen. Um 15.38 Uhr treffen wir in Beiseförth
ein. Das sind 15 Minuten früher als geplant. Dieser Vorsprung nützt uns allerdings
nichts, weil wir merken, dass wir wegen der "Heizerei" die Akkus abkühlen
lassen müssen, bevor wir laden. Strom gibt's bei unserem "Südkursmitradler"
Thomas Jakob. Letztendlich handeln wir uns damit eine Verspätung von 1 Stunde und 45
Minuten ein.

Abfahrt vom Florentiner Platz
Wir starten um 18.45 Uhr Richtung Süden. Durch die Panoramafenster
zeigt sich die uns vertraute Landschaft heute von einer anderen Seite. Man nimmt sie
anders wahr als auf einem konventionellen Fahrrad. Langsam wird es dämmerig, und wir
müssen zusätzliche Energie für die Beleuchtung aufwenden. Geplant war das jedenfalls
nicht. Wir fahren also so ökonomisch wie möglich. Es ist bereits dunkel, als wir um
20.40 Uhr in Unterwegfurt ankommen. Diesmal laden wir beim Ortsvorsteher der Gemeinde,
Herrn Starch, und für uns gibt es auch einen Presseempfang mit Imbiss. Zwar konnten wir
15 Minuten Rückstand wieder wettmachen, doch vorsichtshalber informieren wir die
nachfolgenden Ladestationen. Da wir die erste Nacht und den folgenden Tag bis nach
Unterammergau durchfahren, können wir uns keine grossen Verzögerungen leisten. Wir
treten während der ganzen Reise tatkräftig mit, um so wenig Energie wie möglich zu
verbrauchen, damit das Laden nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt.
Freitag, 26. März
Um Mitternacht erreichen wir Motten, südlich von Fulda. Strom bekommen
wir beim Ingenieurbüro Jestädt. Wir sind gut drauf, denn wir haben unseren Rückstand
auf weniger als eine Stunde verkürzt. Wir sind in unser Gespräch mit Herrn Jestädt
vertieft, als wir nach ca. 1 Stunde bemerken, dass die Ladung unterbrochen worden ist.
Grund hierfür ist, dass die interne Sicherung der Kabeltrommel "rausgeflogen"
ist, da das Kabel nicht vollständig ausgerollt wurde. Also ab jetzt zwei Stunden
Verspätung! Wir versuchen während der Zeit etwas zu schlafen. Wir holen unsere
Schlafsäcke und machen es uns unterm Schreibtisch bequem. Um 2.15 Uhr sind die Akkus
wieder voll. Wir fahren weiter durch die Nacht über die Wasserscheide Main/Weser Richtung
Würzburg. In Gemünden am Main erfolgt der nächste Ladestopp an einer
24-Stunden-Tankstelle.
Mit dem ersten Morgenlicht fahren wir vorbei an Weinbergen nach
Sommerhausen. Dort erwartet uns bereits der Bäckermeister Willer, wo wir frischen Strom
und Brötchen tanken. Wir spüren, dass wir die letzte Nacht so gut wie nicht geschlafen
haben. Doch nach einem Tee und einem kleinen Spaziergang durch die Ortschaft werden wir
langsam wieder wach.
Bis nach Unterammergau haben wir noch 5 Ladepausen. Eine davon ist
Colmberg, wo uns ein Pressevertreter erwartet. Wir laden ihn zu einer Probefahrt ein, von
der er begeistert zurückkommt.
So, jetzt ist es soweit: Es ist 22.00 Uhr als wir in Unterammergau
ankommen. Es sind noch Schneereste vom Winter zu sehen, und die Luft ist klar. Der Wirt
der "Watz-Stoa-Stub'n" sagt uns, dass hier vor kurzem der Schnee noch mannshoch
lag. Hier erwartet uns ein Bett, in das wir nun zufrieden fallen. Während wir tief
schlafen, gönnt sich das TWIKE seine wohlverdiente Nach- und Symmetrierladung.
Samstag, 27. März
Nach dem Frühstück starten wir von Unterammergau nach Klausen in
Südtirol. Wir fahren über die alte Brenner-Bundesstrasse bis nach Matrei. Selbst am Berg
können wir mithalten. Ein Wohnmobil hat bei dieser Bergetappe das Nachsehen. Nach den
etwas anstrengenden Vortagen erscheint uns die Fahrt nach Klausen wie ein Spaziergang. Um
etwa 18.00 Uhr erreichen wir das idyllische Städtchen, das wir bereits von unseren
Radtouren kennen.

Grenzübergang am Brenner-Pass
Sonntag, 28. März
Sonnenschein in Südtirol. Während wir uns zur Abfahrt bereit machen,
hat sich eine Menschentraube am Fahrzeug eingefunden und bestaunt seine Technik. Wir
erläutern die technischen Daten und verteilen Prospekte an Interessierte. Heute geht es,
so weit die Akkus tragen. Und das ist in diesem Fall Malcesine am Gardasee, das wir über
Arco erreichen. Überall am Gardasee erinnern Gedenktafeln an den Aufenthalt eines
berühmten Studienreisenden, den Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe. In Italien merken
wir, dass wir etwa zwei- bis dreimal so lang zum Laden brauchen, weil hier die Steckdosen
nur mit 3 Ampère abgesichert sind. Das Quartier für diese Nacht ist schnell gefunden. Es
liegt in Malcesine. Wir "wählen" die Pension, vor der das TWIKE mangels Energie
stehenbleibt. Hier machen wir zwei Tage Urlaub.
Mitteilung von Martin Möscheid aus dem TWIKE Zentrum Rosenthal vom
29.3.99: "Hab schon einen Anruf von unterwegs bekommen, Crew und TWIKE sind
wohlauf."
Dienstag, 30. März
Um die Weiterfahrt zu sichern, kaufen wir uns in einer
"Ferramenta" die nötigen Adapter, um den Kontakt zum italienischen Stromnetz
herzustellen. Den verbalen Kontakt zu den Italienern stellen wir mit folgenden Sätzen
her: "Buongiorno! Andiamo in una macchina elettrica a Firenze. Per favore potrei
attaccarmi alla vostra spina di corrente elettrica? La spina è di sedici ampere. Noi vi
paghiamo la spesa. Costa circa 2000 Lire." (Auf Deutsch: "Guten Tag! Wir fahren
mit einem Elektromobil nach Florenz. Darf ich es bitte an Ihrer Steckdose einstecken? Die
Steckdose sollte 16 Ampère liefern. Wir zahlen Ihnen den Strombezug. Es macht rund 2000
Lire.")
Nach einer Rundfahrt um den See mit einem Abstecher zum Lago di Ledro
landen wir auf der Halbinsel Sirmione. Hier wollen wir weitere zwei Tage bleiben.

Am Lago di Ledro
Donnerstag, 1. April
Heute soll es weiter Richtung Florenz gehen. Pustekuchen! Nach etwa 20
Metern Rückwärtsfahren erhalten wir vom Bordcomputer die Meldung: "Fehler F 11 -
Erdschluss". Was nun? Lange Rede kurzer Sinn, ein neuer Wechselrichter muss her.
Woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Durch FINE Mobile in Rosenthal kommt die Rettung. Nach zwei Tagen
Wartezeit baut der Mechaniker dieser Firma den neuen Wechselrichter ein. Wir sind uns
einig: "Nur gut, dass es hier passiert ist, und nicht irgendwo in der Pampa."
Wir nutzen diese zwei Tage und lassen es uns gutgehen. Eis, Cappuccino und Bootsfahrten
versüssen uns das Warten. Dolce vita!
Samstag, 3. April
"Welcome to TWIKE!" Das ist die Meldung, die wir nun vom
Bordcomputer erhalten. Klingt schon besser. Hi! Hi! Gutgelaunt geht es Richtung
Mittelmeer. Über sanfte Hügel geht es durch die Po-Ebene. Mittlerweile beherrschen wir
das Fahrzeug so, dass wir Ladereichweiten von über 110 Kilometern erreichen. Üblich sind
bei dieser Topographie 60 bis 80 Kilometer. In San Secondo di Parmense laden wir beim
Metzger und in der örtlichen Bar. Auch hier wieder grosses Interesse und Entgegenkommen.
Um uns erkenntlich zu zeigen, kaufen wir einige Lebensmittel ein, da der Metzger und der
Barbesitzer kein Geld annehmen wollen. Weiter geht's über Parma durch das Val di Taro in
den ursprünglichen Ort Borgo. Hier werden wir das erste Mal zurückgewiesen. "Non è
possibile, non è possibile". Offenbar hat man Angst, dass die gesamte
Stromversorgung zusammenbricht, was einfach nicht stimmt, da das Fahrzeug während des
gesamten Ladevorgangs nur maximal 4 kW zieht. Dies entspricht etwa der Leistung von 4
Handhaartrocknern. Strom bekommen wir diesmal nach zähen Verhandlungen auf einer
Tankstelle. Wir erkunden den Ort und werden Zeugen des italienischen Alltags fernab der
Touristenzentren.

Eis mit Strom
Gestärkt und mit vollen Akkus geht es von 420 Metern ü.M. auf 953
Meter auf den Passo di Bratello. Der steile Anstieg zehrt trotz kräftigen Tretens sehr an
den Energiereserven unseres Fahrzeugs. Wir können zwar oben auf dem Pass schon das
Mittelmeer "riechen", sehen aber gleichzeitig auf dem Bordcomputer, dass wir
noch eine Restreichweite von 11 Kilometern haben. Das hört sich nicht gut an und wir
fühlen schon ein Kribbeln, das uns gar nicht schmeckt.
Nach einer Fotopause auf dem Gipfel rollen wir talwärts an das
Mittelmeer. Wir kommen an diesem Abend trotz Beleuchtung noch auf sage und schreibe 114
gefahrene Kilometer. Möglich macht das die Technik des Fahrzeuges in Verbindung mit der
günstigen Topographie der Etappe, denn talwärts können wir Energie durch Rekuperation
zurückgewinnen. An diesem Abend finden wir wegen der Osterfeiertage kein Zimmer und
übernachten auf einem Campingplatz in der Nähe von Marina di Carrara. Wieder stehen wir
vor dem Problem der geringen Kapazität des dortigen Stromnetzes (weniger als 3 Ampère),
können das Fahrzeug aber auf die jeweilige Stromstärke anpassen. Wodurch sich der
Ladevorgang erheblich verzögert. Nur gut, dass wir die ganze Nacht Zeit haben.
Sonntag, 4. April
Wir fahren entlang der Küste nach Pisa. Heute ist ein Feiertag. Da die
Tankstellen geschlossen sind, haben wir Mühe eine Steckdose zu finden. In Restaurants und
Bars werden wir höflich abgewiesen. So entscheiden wir uns mit fast leeren Akkus bis nach
Pisa zu fahren. Dort steuern wir einen Campingplatz an, wo wir gegen eine entsprechende
Gebühr laden können. Unterdessen biegen wir den schiefen Turm gerade. Wir überlegen, ob
wir hier eine Nacht bleiben. Doch die Stadt ist voller Touristen, so dass wir kein Zimmer
finden. Also fahren wir am späten Nachmittag weiter Richtung Florenz, immer am Arno
entlang. Aus Pisa heraus nehmen wir eine vierspurige Kraftfahrstrasse. Hier halten wir mit
60 bis 70 km/h mit anderen Fahrzeugen Schritt. Es kommt zu ungläubigen Blicken, da man
uns auch hier radelnder Weise sieht. An diesem Abend übernachten wir in einem
unscheinbaren Ort zwischen Pisa und Florenz. Wir bekommen das letzte Zimmer im Hotel.
Montag, 5. April
Noch etwa 60 Kilometer bis Florenz. Wir entscheiden uns für eine
Nebenstrasse entlang des Arno. Liebliche Landschaft und angenehme Temperaturen laden zu
"oben ohne" ein: Nach dem Mittagessen in einem Landgasthof nehmen wir das
Verdeck ab und verwandeln unser TWIKE in ein Cabrio. Jetzt haben wir den ultimativen
Rundumblick. Unter Hurrarufen der örtlichen Bevölkerung fahren wir am frühen Nachmittag
in Florenz ein. Unser TWIKE stellen wir erst einmal an einer Pferderennbahn ab. Das ganze
Areal erinnert an die Aue mit der Hessenkampfbahn. Daher auch die Partnerschaft zwischen
Kassel und Florenz - denken wir uns.
Per pedes geht es in die Stadt. Wir orientieren uns am Fluss Arno. Hier
finden wir sofort ein Hotel mit einem ganz besonderen Charme. Nachdem wir das Gepäck ins
Hotel gebracht und das TWIKE sicher abgestellt haben (die Parkgebühr pro Nacht beträgt
22 Mark), erkunden wir die Stadt. Wie kann es anders sein, die erste Station war
"Ponte Vecchio".
Dienstag, 6. April
Da die Stadt Florenz über unser Kommen bzw. Vorhaben nicht informiert
war, dauert es eine Weile, bis wir die zuständigen Stellen erreichen. Das ganze erinnert
an Brüder Grimms Märchen vom "Gestiefelten Kater". Behilflich ist uns eine
Dame vom Büro für auswärtige Angelegenheiten, Francesca Morino, bei der wir uns an
dieser Stelle nochmal herzlich bedanken möchten. Sie sagte uns, dass wir am folgenden Tag
wieder kommen sollten, sie würde den Kontakt zum stellvertretenden Bürgermeister
herstellen, weil die ganze Sache sehr interessant klingt. Den restlichen Tag haben wir
frei für Besichtigungen.
Mittwoch, 7. April
Wir überbringen die Grüsse des Oberbürgermeisters an die Vertreter
der Stadt Florenz. Zu erwähnen ist, dass die Stadt Florenz bestrebt ist, dass die
Florentiner auf E-Fahrzeuge umsteigen. Im Moment ist das Tanken an den öffentlichen
Steckdosen noch kostenfrei, da derzeit der Verwaltungsaufwand grösser wäre als der
Nutzen. Ausserdem werden Besitzern dieser Fahrzeuge Steuererleichterungen eingeräumt, und
Firmen, die E-Fahrzeuge bauen und vertreiben, können einem Abkommen beitreten, das sie
bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt. Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile auf
Deutsch, Englisch und Italienisch und führen Probefahrten mit dem TWIKE durch, bevor wir
Florenz wieder verlassen. Insgesamt hat das TWIKE dort einen bleibenden Eindruck
hinterlassen.

Grüsse des Oberbürgermeisters von Kassel an die Stadt Florenz
Wir bezahlen unser Zimmer und entrichten die Parkgebühren, wobei die
Parkgebühren höher sind als die gesamten Energiekosten für Hin- und Rückfahrt.
Wir geniessen es, wieder im TWIKE zu sitzen. Nach einer ungewollten
"Ehrenrunde" durch Florenz fahren wir wieder gen Norden. Noch ist es trocken und
die Akkus voll. Die Hügel der Toskana zehren an der Energie, werden immer höher und
gehen in den Appennin über. Nach 75 Kilometern Bergauffahrt müssen wir nachladen. Wir
bekommen diesmal wieder Strom auf einem Campingplatz. Während wir in einer Bar sitzen,
fängt es an zu schütten. Als wir losfahren, regnet es noch immer. Die Scheiben
beschlagen sofort und unsere Sicht ist sehr beeinträchtigt. Wir können jetzt leider die
Schönheit der Landschaft nicht richtig geniessen. Plötzlich hören wir ein lautes
metallisches Klacken."Was ist das?" Es stellt sich heraus, dass das der
Scheibenwischermotor war. Ab nun müssen wir auf seinen Einsatz verzichten und das bei
Dauerregen! Trotzdem kommen wir durch Rekuperieren noch bis Bologna, wo wir uns kräftig
verfransen. Das TWIKE können wir in der Waschküche des Hotels laden, in dem wir
übernachten.
Donnerstag, 8. April
Immer noch starker Regen. Wir fahren trotzdem los. Doch nach einigen
Kilometern müssen wir feststellen, dass es einfach zu gefährlich ist ohne intakten
Scheibenwischer zu fahren. Wir halten am Strassenrand und wollen den Regen abwarten. Doch
der Himmel ist wolkenverhangen, und es sieht nach tagelangem Regen aus, was auch der Fall
ist. Nach einigem Überlegen kommen wir auf die Idee, den Scheibenwischermotor
abzumontieren und somit auf Handbedienung umzurüsten. Zur Hilfe kommt uns dabei ein 13er
Schlüssel, mit dem wir fortan den Scheibenwischer bedienen. Grosses Manko: Wir können
jetzt nicht mehr treten und werden langsam aber sicher kalt. Nach einem Tag Regenfahrt
kommen wir völlig unterkühlt und aufgeweicht in Fidenza an. Wir sind an diesem Abend
glücklich, ein Zimmer gefunden zu haben, damit die Fahrt im Regen ein Ende hat.
Freitag, 9. April
Wir fragen bei der Firma FINE Mobile in Rosenthal an, wo wir einen neuen
Scheibenwischermotor bekommen können. Leider handelt es sich hierbei um eine
Spezialanfertigung, die nur über die TWIKE AG, Schweiz zu bekommen ist oder direkt beim
Hersteller in Spanien! Das heisst für uns, da wir in Richtung Norden unterwegs sind, dass
wir solch ein Bauteil frühestens in Bern bekommen können. Das sind von dort noch etwa
500 Kilometer. Das Motto lautet bis dahin: "Expand to the essential!" Klare
Sicht ist im Moment nur mit Hilfe des 13er Schlüssels möglich.
Die Akkus haben uns schon weit nach Norden getragen. Wir umfahren
geschickt die norditalienische Metropole Mailand und erreichen nach einigen Ladestopps den
Lago die Garlate. Ausnahmsweise geraten wir an diesem Tag nicht in Ladestress. Und das
Wetter ist so gut, dass wir das Verdeck abnehmen können.
Samstag, 10. April
Über Lecco und Erba erreichen wir den Lago di Como. "Saft"
gibt's diesmal gratis, und zwar beim Aeroclub in Como. Mille grazie! Heute werden wir noch
einen anderen berühmten See erreichen, den Lago Maggiore. Der See und die Berge bilden
ein harmonisches Paar. Wir ruhen uns ein wenig aus, bevor es in die Schweiz geht. Beim
Laden nahe Luino erleben wir Campingplatzbürokratie pur. Da selbst der Energieverbrauch
aus den üblichen Steckdosen über PC abgerechnet wird, wird uns das Laden verweigert, da
dies nur Übernachtungsgästen des Campingplatzes vorbehalten ist. Doch zum Übernachten
ist es zu früh, da das heutige Etappenziel das malerische Centovalli ist. Energie
bekommen wir an einem nahegelegenen See-Restaurant, wo der Restaurantbesitzer selbst den
E-Herd abklemmen will, um uns Strom zu geben. Lediglich der Koch äussert Bedenken, da
sonst die Küche "kalt bleiben" würde.
Als wir die Schweiz erreichen, ist es Samstag abend und alle Geschäfte,
in denen wir einen Schweizer Stecker bekommen könnten, sind geschlossen. Wir müssen also
basteln, bevor wir in Locarno erneut laden können. Dann ist der Weg frei in das
Centovalli. Wir übernachten in Intragna. Intragna mit seinen engen Gassen und alten
Häusern könnte sehr gut als Kulisse für einen historischen Film dienen.

Im Centovalli
Sonntag, 11. April
Das Wetter macht sich, und die Akkus sind fit. Wir fahren durch das
Centovalli bis nach Domodossola und dann weiter Richtung Simplon-Pass. Wir winden uns
hinauf auf 2005 Meter, bis wir die Simplon-Passhöhe erreichen. Das Wetter wird schlechter
und auf dem Pass schneit es. Nach einem kurzen Fotostopp rollen wir runter bis nach Brig.
Wir erhöhen durch Rekuperation unsere Reichweite auf über 110 Kilometer. Da uns der Weg
nach Norden über den Grimselpass versperrt bleibt, sind wir gezwungen, die Route über
das Wallis zu nehmen. Wir übernachten in der französischen Schweiz, wo wir auf grosse
sprachliche Barrieren treffen. Als Dolmetscher dient ein Englisch sprechender Portugiese.
Glücklicherweise befinden wir uns in einem Motel und müssen nicht nach Strom fragen. Wir
nehmen ihn einfach aus der Steckdose im Badezimmer. Beim Bezahlen erleben wir die nächste
Überraschung. Man versteht uns nicht, als wir mit einem Euroscheck bezahlen wollen.
Montag, 12. April
Über Martigny geht es Richtung Genfersee. Auch hier wieder sprachliche
Probleme. Verständigen können wir uns diesmal nur auf Italienisch. Man will hier für
ca. 80 Rappen Stromverbrauch von uns 10 Franken haben. Ab jetzt verstehen wir nur noch
Deutsch und brauchen letztendlich die geforderte Gebühr nicht zu entrichten. Zum Glück
müssen wir nur einmal zwischenladen, bevor wir die deutsche Schweiz erreichen. Hinter
Fribourg überwinden wir den "Rösti-Graben". Ab hier klappt es mit der
Energieversorgung einwandfrei. Wir übernachten in einem Landgasthof kurz hinter Bern.
Dienstag, 13. April
Ausgeruht geht's am anderen Morgen weiter nach Sissach bei Basel. Dort
ist der Hauptsitz der TWIKE AG. Hier bekommen wir nun den lang ersehnten
Scheibenwischermotor. Wir unterhalten uns mit dem Vater des TWIKE, Ralph Schnyder, der uns
zu einer Kaffee- und Strompause einlädt. Wir machen noch einen Rundgang durch die
Produktionshallen, bevor wir uns verabschieden.
In Basel überqueren wir die schweizerisch-deutsche Grenze. Wir folgen
der B 3 bis nach Heitersheim.
Mittwoch, 14. April
Es ist kalt in Deutschland. In der Nacht war es nur knapp über Null.
Wir benutzen immer die kleinen Strassen am Rhein entlang, mal in Deutschland und mal in
Frankreich. Ab hier ruckt es dank der "durchgekneteten" Akkus. Wir legen an
diesem Tag über 311 Kilometer mit nur zweimal Laden zurück. Am späten Abend erreichen
wir mit letzter Kraft (Unterspannung) die Domstadt Worms, wo uns ein hilfsbereiter
Hotelier zu später Stunde Strom und Bett gibt.
Donnerstag, 15. April
Unsere Reise neigt sich dem Ende. Wir folgen dem Rhein flussabwärts am
Loreley-Felsen vorbei (die Loreley war nicht daheim, sie war beim Friseur), bis nach
Koblenz. Wir wollten eigentlich noch bis Kassel durchfahren. Doch nach Einladung bei
Verwandten haben wir uns entschlossen, in Koblenz zu übernachten und am anderen Morgen
weiterzufahren. Wir besichtigen die Rheinanlagen und das "Deutsche Eck" sowie
die Altstadt.
Freitag, 16. April 1999
Wir starten am frühen Morgen in Koblenz Richtung Limburg an der Lahn.
Aus dem Plan, energiesparend an der Lahn entlang zu fahren, wird nichts, da uns in Bad Ems
der Weg durch eine Baustelle versperrt ist. Wir müssen einen steilen Berg bezwingen, der
sehr viel Energie kostet, um dann in einer Berg- und Talfahrt Limburg zu erreichen. Auch
die gewählte Route an der Lahn entlang entpuppt sich als sehr energiezehrend, da zwar der
Fluss im Tal verläuft, die Strasse allerdings immer wieder Steigungen überwinden muss.
Daher sind wir gezwungen, einen nicht geplanten Ladestopp einzulegen, und das, obwohl wir
stets mittreten und versuchen, jeden Schwung auszunutzen. "Saft" gibt's an einer
Baustelle. Wir erreichen am Mittag das TWIKE-Kompetenzzentrum in Leun bei Wetzlar. Hier
nochmal Strom und Kaffee und nach einer Stunde "Fachsimpeln" twiken wir non stop
nach Rosenthal, wo wir bereits von Martin Möscheid erwartet werden. Die Freude ist gross.
Nach einem Festmahl, bestehend aus Jäger- und Zigeunerschnitzel mit Pommes und Salat,
machen wir uns auf zur letzten Etappe. Um etwa 1.00 Uhr erreichen wir Kassel. Wir schaffen
es noch bis zur Endstation der Linie 3 in der Ihringshäuser Strasse. Das sind von
Rosenthal 96,4 Kilometer. Wahnsinn! Und das nachts.
Mail von Martin Möscheid am 21. April 1999: "Sie sind wieder
in Kassel angekommen und alle wohlauf. Das TWIKE 042 hatte einen Aussetzer in Italien in
Sirmione am Gardasee. Dort ist der Leistungsteil des Wechselrichters defekt gegangen. Ich
habe ihn per Express vorort gewechselt. Der Gardasee zu Ostern ist sehr schön. Auch der
Scheibenwischer hat den Geist aufgegeben (wurde in Sissach erneuert). Ansonsten ohne
Ausfälle und geniale Reichweiten mit mehreren über 100 km Etappen. Sie waren beide sehr
traurig als ich das TWIKE wieder abgeholt habe."
Mail von Martin Möscheid am 3. Juni 1999: "Burkhard Schade und
Heidi Amende hatten diese Woche Dienstag einen Termin beim Kasseler Oberbürgermeister
Lewandowski, um den in Florenz erhaltenen Wimpel zu überreichen. Eine Probefahrt mit dem
TWIKE hat dem Bürgermeister gut gefallen... - Lewandowski hat den beiden vorgeschlagen,
im nächsten Jahr eine Partnerstadt Kassels in Schweden zu besuchen, quasi als offizielle
Botschafter der Stadt."
Infos:
Martin Möscheid, TWIKE Zentrum Rosenthal, twike.rosenthal@t-online.de
Burkhard Schade, Hessenweg 10, D-34233 Fuldatal, Tel. 0561 81 82 00