Das TWIKE auf Rekordfahrt
oder
1000 Kilometer-Twike-Tour 2001
Auf dem Simplonpass
1. Gebot des Twike-Fahrers:
"Es gibt nur genau zwei Zustände auf einer Twike-Tour: ladend
und fahrend."
Wobei diese Ausgangslage Kapazität zu weiteren Beschäftigungen bietet
und zwar in verschiedensten Kombinationsmöglichkeiten:
Laden und baden, buttern und futtern, jassen und siedlern währenddem
die Batterien regenerieren. Zum Fahren kann man grüssen, singen, funken, sogar schlafen
und kochen während des Blochens. Letzteres ist bedauerlicherweise noch immer eine
Zukunftsvision, obwohl sich der geniale Benzinkocher von Schögy, pilot in command im
Twike 056, sicherlich zum Kochen während der Fahrt eigenen würde, sofern er nicht gerade
ausläuft und sich selber mit einer Stichflamme entzündet... Aber darauf, dass Matthias
Schoch, Beifahrer des eben genannten Michael Schoch und auch Möteller (mit Betonung auf
der zweiten Silbe, bitte) genannt, während einer Passfahrt tüchtig auf seinem Schosse
Spaghetti-Sauce umrühre, darauf warteten wir leider vergebens. Dabei drängt sich die
Idee geradezu auf, im elektrogeladenen Fahrzeug einen 12 Volt Backofen zu installieren, wo
nach Bedarf während der Fahrt von vorne eine Pizza hineingeworfen werden kann. Doch dies
nur so nebenbei.
Die Gebrüder Schoch wurden herausgefordert, unterstützt und begleitet
vom Twike 188, dessen Piloten ebenso fahrwütig sind. Womit wir beim Twike-Gebot
Nr. 2 angelangt sind:
"Die Twike-Batterien sind wenn immer möglich leer zu
fahren."
Diesen Vorsatz befolgten beide Teams bis zum Exzess. Der Enthusiasmus
für Rekordetappen war riesig, noch grösser der Ehrgeiz und abenteuerlich das Resultat:
Das Twikelein streikte, stöhnte und starb und Pilot Pepi Meister sprang wagemutig mitten
auf die Kreuzung, um mit letzten Kräften die nächste Steckdose zu erreichen, angefeuert
vom Hupkonzert von zur Fahrt im Schritttempo gezwungenen Mitbenutzern der Strasse...
Die Steckdose -- unser Lichtblick alle paar Stunden. Dosen stachen von
weit her in unser Auge; Bahnhöfe, Seilbahnen, Toiletten und Festbeleuchtungen erweckten
unsere Aufmerksamkeit, und schon strömten Elektronen in Massen sobald die Batterie unter
Kochtemperatur gesunken war (45 °C) ... und sofern uns niemand daran hinderte.
Wer könnte einem Twike schon einen Wunsch abschlagen, mag sich jeder
Twiker fragen. Nun ja, es gab da so ein Aufseher eines supermercatos, der nach zwei, drei
hässigen italienischen Worten und der sofortigen Einsicht, bei uns auf nichtverstehende
Ohren getroffen zu sein, tatsächlich unverzüglich den Steckter erfasste, auf den Boden
schleuderte, davonstolzierte und unseren Vermittler zwischen deutscher und italienischer
Sprache fortan ignorierte. Na dann, der nächste Steckdosenbesitzer fand das Twike
simpático. Und dies war die allgemeine Reaktion auf unser Auftreten. Besonders die
Holländer in Norditalien zeigten sich sehr interessiert, aber auch auf dem Segelflugplatz
Samedan konnten wir begeisterten Zukunftstwikern Auskunft geben, sowie auch während aller
anderen Ladepausen. Aber nun der Reihe nach.
Beim Packen
Wir starteten am Freitag, 20. Juli nachmittags Richtung St. Gallen, wo
uns durch Beziehungen ein feudales Nachtessen, die Benützung des Swimming-Pools und ein
Nachtlager zur Verfügung gestellt wurde. Am Samstag gings weiter ins Engadin. Bereits
gaben wir für einige Tage dem Lagerleben gegenüber dem twike-tour-typischeren
Nomadenleben den Vorrang und stationierten uns für drei Nächte auf dem Segelflugplatz
Samedan. Hier trat der Drang zum Holzspalten und die allgemeine Flugbegeisterung zu Tage
und einmal mehr wurde der Wunsch nach Flügeln am weissen Rumpf und Capot ausgesprochen.
Spät nachts testeten wir Pisten und Rollwege, die Räder erwiesen sich als tauglich und
die Länge des Beschleunigungsweges ermöglichte sogar eine Kreuzung mit 95 km/h in der
Mitte. (Vergleich Pearl Harbour...)
Lagerstimmung in Ehren, aber das 3. Gebot gilt es nicht
ausser Acht zu lassen:
"Das Twike soll ständig in Bewegung gehalten und häufig
ausgeführt werden und auf keinen Fall untätig herumstehen".
So jagten wir dann auch auf alle Passhöhen in Reichweite -- natürlich
vollgeladen und auf zweiter Stufe (20 A), was verschiedene langsame Autofahrer zur
Depression geführt haben muss! (Berninapass, Albulapass)
Berninapass
Albulapass
Beim Morgenessen in Samedan
Die Nächte auf dem Zeltplatz waren weniger erfreulich mit Temperaturen
unter der Nullgradgrenze -- ein Wunder, dass das Kondenswasser nicht gleich gefror... So
verabschiedeten wir uns am Dienstag von Segelfliegern und Segelflugzeugen und zogen mit
der Hoffnung, dass sich die Lufterwärmung in niederen Höhen wirklich gemäss den Regeln
des feuchtadiabatischen Temperaturgradienten verhielt, talabwärts, dem Comersee entlang
Richtung Lugano. Auf 140 km erstreckt sich diese Strecke durch unberechenbares fremdes
Land mit fremder Sprache und fremden Steckdosen. Aber die Topografie könnte einen
Etappenrekord ermöglichen...
Mundwylers neue Batterien in Twike 056 waren der Herausforderung
durchaus gewachsen, und erreichte ein Etappenrekord von 150 km ohne Laden
und Schieben!!! Das Twike 188 erreichte trotz unglaublichen Engagements in punkto
Energie-Investition in die Pedalen Lugano nicht ganz, hatte dafür die Ehre, den bereits
erwähnten sehr hilfsbereiten supermercato-Aufseher kennenzulernen.
Unterwegs...
Natürlich erstatteten wir dem Twike-Zentrum Lugano einen Besuch ab
(übrigens als erste Twiker), wurden unverzüglich mit Tessiner Gastfreundlichkeit zu
Reissalat, Focaccia, Rohschinken und Champagner eingeladen, bekamen eine Führung durch
das architektonisch sehr interessante Haus vom Architekten persönlich, und zum Dank für
den Besuch erhielten wir alle das Twiker-T-Shirt geschenkt. Von nun an konnten wir uns
nicht mehr aus den Augen verlieren und erkannten uns von weitem am Tenue: unisex,
Einheitsgrösse, von unverkennbarem Rot und mit dem simplen Aufdruck der uns allen aus dem
Herzen spricht: I LIKE TWIKE !
Team Schoch-Schoch
Die Crew Meister ladete vorbeugend auf, der Ehrgeiz der
Schoch-Schoch-Mannschaft liess diese Vorsichtsmassnahme nicht zu mit folgenden
Konsequenzen: Die oben erwähnte Rekordetappe von 150 km und weitere Heldentaten im
Schieben!
Spät nachts erreichten wir trotzdem noch die feudalste aller
Unterkünfte in Taverne, wo nach dem Bad im Swimmingpool mit Blick auf das funkelnde
Lugano und den San Salvatore unzählige Betten zur Verfügung standen und wir
bedauerlicherweise nicht in den Genuss kamen unser One-Touch-Zelt vorzuführen. Dafür
machten wir uns am nächten Morgen früh auf (unter Einrechnung des 1 1/2 stündigen
Aufsteh-Prozederes des jungen Herrn Schoch), bereit zu neuen Höchstleistungen.
Von Italien noch nicht satt, machten wir uns auf in Richtung Domodossola
mit erstem Halt in Càmedo kurz vor der italienischen Grenze.
Möteller in Càmedo
Hier erfuhren wir von einem weiteren Twiker, der sich genau einen Tag
vor uns durch das Centovalli mit seinen engen und kurvigen Strassen voller agressiven
Verkehrs gewagt hatte. (Wer dies mag gewesen sein?)
Beim Kochen
Im Centovalli
Die Berechnung des Temperaturgradienten erwies sich übrigens als
verlässlich. Die Hitze war unerträglich für denjenigen, der nicht in Bewegung war. Wir
demontierten unser Dach und machten auf Cabriolet.
Cabriolet
Von nun an guckten mindestens die zwei Köpfe der Copiloten hoch hinaus.
Wir rauschten durch die Dörfer wie auf einem Siegeszug mit lauter Musik und noch lauterer
Hupe. Möteller, der "signore principale del Ticino" begrüsste sein Volk und
wies die Kolonne wild in der Luft herumfuchtelnd zum überholen an. Die Autos gaben
erfreut Gas, nur um sich wenige Sekunden später in der nächsten Kolonne vor dem zweiten
Twike vorzufinden...
In Gondo
Doch der längste Twike-Tag war noch nicht zu Ende. Nach Domodossola
überquerten wir in Gondo den Zoll und erreichten über den Simplon das Oberwallis. Die
Ortschaft Grengiols VS, letzte Stärkung sowohl für Fahrzeug wie Fahrer bevor die
Nachtschicht begann.
Schlafen im Twike
Um Mitternacht tankten wir ein letztes Mal auf in Oberwald, und nach
zwei Uhr bewältigten wir die letzten Meter bis zum Grimselpass. Bis drei Uhr hatten wir
dann auch ein idyllisches, lauschiges Plätzlein ausgemacht und bestaunten tief in die
Schlafsäcke eingewickelt und auf dem Sitz bequem eingerichtet den fantastischen
Sternenhimmel. (Für das erste Mal begrüssten wir die fünfziggrädigen Batterien als
angenehme Heizung während des Einschlafens ...) --- Gute Nacht!
Am Donnerstag, 26. Juli folgte der dritte Rekord. Nach der 150 km und
der 16-stündigen Etappe packte uns der Geschwindigkeitrausch -- die 100 km/h-Grenze ist
nun erreicht. Wir staunten nicht schlecht als wir die 100 km/h auf dem Display aufleuchten
sahen!
Beim 100 km/h-Rekord !
Später badeten wir im Sarner- und im Zürichsee, bekamen eine
interessante stündige Führung durch die Twike-Herstellungsstätte in Hochdorf und
vollendeten die Tour mit den letzten Metern zur 1000 Kilometer-Twike-Tour 2001.
Und was passiert weiter mit dem Twike? Die Idee des "FLYKE"
liegt noch immer in der Luft. Doch wahrscheinlich gehört die Zukunft dem neuen
Twike-Modell TWIKE.ME: luxuriöser und bequemer, schneller, weniger reperaturanfällig und
ohne Pedalen. Aber wird das noch dasselbe sein?
Die Route